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Selbstständig in der Coronakrise

Aktualisiert: 18. März 2021

Wie fühlt es sich an, wenn man nach 13 Jahren Selbstständigkeit plötzlich zwangsgeschlossen wird? Dieses Gefühl können wohl nur Betroffene richtig nachfühlen. Ich möchte etwas ausholen: 2018 bin ich mit meinem Lebensgefährten und meinem Studio ins knapp 400km entfernte Viernheim gezogen. Kaum angekommen, und noch mitten in den Renovierungsarbeiten, habe ich erfahren, dass wir schwanger sind. Der Umzug, Mutterschutz und die anschließende Elternzeit waren soweit kein Problem. Schließlich hatte ich ja Rücklagen gebildet und war gut gewappnet. Ende 2019 haben wir beschlossen wieder zurück in die Heimat zu gehen. Unsere Tochter sollte bei ihrer Familie aufwachsen und ganz ehrlich? ich hab mich dort auch kein bisschen zu Hause gefühlt und Franken mordsmäßig vermisst. Also kam direkt 1 Jahr später der Umzug zurück nach Nürnberg. Während eines Umzugs ist der Laden natürlich geschlossen und es kommt kein Geld mehr rein. "Was solls..." dachte ich mir. "... wenn das Studio fertig ist, hast du wieder genügend zu tun und kannst deine Reserven aufstocken" Und dann kam das, womit ich niemals gerechnet hätte. Der erste Lockdown. Da stand ich nun. Keine Reserven mehr, kein Einnahmequelle, der Mann (Veranstaltungstechnik) in Kurzarbeit.

Ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen, als es vor einem Jahr plötzlich hieß "Wir müssen alles schließen! Alles, was nicht systemrelevant ist oder zum täglichen Bedarf gehört, muss zu machen" Für mich war das ein riesiger Schock! Mir war schlecht, ich hab geheult, ich hatte Angst. So eine Situation gab es bisher noch nicht. Und ich war völlig überfordert. Es ist was völlig anderes, wenn der Laden nach und nach nicht mehr so recht läuft. Man kann sich langsam auf etwas einstellen. Aber so kam direkt der Vorschlaghammer! Mitten ins Gesicht! Einfach so aus dem Nichts! BÄHM!!! ZU!!! Schöne Scheiße! Und nu?! Und da war er, der Strohhalm an den ich mich klammern konnte: Die Hilfe vom Staat! Das Herz macht einen Freudensprung, der Kopf sagt: "Alles wird gut" Die Ernüchterung folgt auf dem Fuss - "alle Hilfen dürfen nur ins Geschäft fliesen". Und wer zahlt nun das Essen? Die Miete? Die neuen Klamotten für unsere Tochter, deren Wachstum keinerlei Rücksicht auf die Coronakrise nimmt? Einziges Alternativangebot: HarzIV . Einfacher Zugang für alle Selbstständigen, die vom Lockdown betroffen sind. Also lade ich mir mal alles runter und fülle aus... schon während dessen wurde mir echt anders... es waren so viele Seiten, ich konnte sie kaum mehr zählen. Unzählige Belege wurden einfordert und man lässt tatsächlich alle Hüllen fallen. Es war erniedrigend! Als der Bescheid kam, dass ich HarzIV bewilligt bekomme, wurde ich auch direkt von einer netten Dame vom Amt angerufen. Das Gespräch war ernüchternd und mir war klar, dass ich das so nicht will und kann. Also schicke ich ein Schrieben zurück, dass ich auf meinen Anspruch verzichte. Es muss einfach anders gehen. Zumindest heißt es, man kann Kredite erstmal kostenfrei stunden lassen. Immerhin. Denn mit dem Familienzuwachs haben wir ein neues Auto gebraucht. Also erstmal Aufatmen, die Raten können aufgeschoben werden. Und wie immer, wenn etwas toll klingt, hat es meist einen Haken. Volle 2 Monate konnte ich stunden lassen, danach musste ich wieder voll zahlen. Jucheeee! Da frohlockt das riesen Loch in der Haushaltskasse! Also versuche ich mich fürs erste mit Bildbearbeitungsangeboten über Wasser zu halten. Und der das Ende des ersten Lockdowns war in Sicht. ENLDICH durfte ich wieder loslegen <3 Der Sommer neigte sich dem Ende zu und es wurde Winter. Die Zahlen stiegen und mir war klar, dass der nächste Lockdown nur noch eine Frage der Zeit sein würde. Im November geht doch immer was. Schließlich wollen alle ganz besondere Weihnachtsgeschenke und das ist immer mein Highlight des Jahres! November bis in den Dezember machen alle Geschäfte DEN Umsatz des Jahres! Das ist bei mir nicht anders. Also plante ich ein wunderschönes Weihnachtsset. Meine Mädels waren begeistert und buchten so viele Termine wie schon lange nicht mehr. Der Kalender war voll und ich freute mich wie Bolle, dass endlich wieder Geld in die Kasse kommen wird.

Und da waren sie wieder. Die Zahlen! Sie stiegen und stiegen und stiegen. Mir war klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis wieder alles dicht gemacht wird. Also habe ich meine Mama gebeten zu kommen und auf die Kleine aufzupassen. Hab so viele Termine wie es nur geht nach vorne geschoben und geshootet was das Zeug hält. Immer die Zahlen im Nacken. Im Dezember waren sie dann schon so hoch, dass ich kein gutes Gefühl mehr hatte. Somit beschloss ich schon ein paar Tage, bevor es offiziell wurde, mein Studio wieder zu schließen. Obwohl ich viele der geplanten Termine nicht mehr geschafft habe. Ich wollte meine Liebsten, mich und auch meine Kundinnen nicht unnötig gefährden. Ich hatte den ersten Lockdown überstanden und würde es auch diesmal schaffen! Davon war ich fest überzeugt. Und zack! Schon wieder alles zu. Endlich wurde auch die neue Hilfe für Soloselbstständige (November/Dezember Hilfe) groß angekündigt. Es klang vielversprechend und ich hoffte, zumindest diesmal einen kleinen Teil Unterstützung zu bekommen. Schließlich zahle ich ja auch brav immer meine Steuer seit 13 Jahren. Da kann einem schließlich auch mal geholfen werden, wenn sie mir den Laden schon zusperren. Und da war er wieder... der zweite Schlag ins Gesicht! Die Hilfe bemisst sich am Umsatz von 2019! ... wer mittendrin angefangen hat zu lesen, dem helfe ich kurz auf die Sprünge: 2019 war ich in Elternzeit! Ich hatte zu! Ich hatte so gut wie keine Umsätze! Und was sind 75% von so gut wie nichts? Richtig... 25% weniger als von so gut wie nichts... Ich haderte wieder mit HarzIV, aber ich wollte es selbst schaffen. Die ersten 2 Monate haben mich meine Kunden super mit Nachbestellungen ihrer Fotos aus vergangenen Shootings unterstützt. Ich bin noch immer so unendlich Dankbar für deren Hilfe. Aber irgendwann sind nunmal auch die Mädels abgegrast die bei mir waren und noch das ein oder andere Bild bestellen möchten. So ist das eben. Neue Kunden aquirieren? Die Facebookwerbung und Instagramwerbung frisst Unmengen an Geld und das ist ja bekanntlich im Moment recht knapp hier. Also hoffte ich darauf, das meine Beiträge fleißig geteilt und kommentiert werden um die Reichweite zu erhöhen. Wirklich viel tut sich hier allerdings nicht. Ich versteh es ja, ich bin auch eher jemand der einfach nur durchscrollt und selten mal etwas kommentiert. Wobei sich das in den letzten Monaten tatsächlich geändert hat. Inzwischen sehe ich selbst wie wichtig es ist, seine Lieblingsseiten zu unterstützen. Dann endlich! Die Zahlen (hach, wie ich dieses Wort inzwischen hasse) gehen runter. Es werden Lockerungen in Aussicht gestellt. Ich bin skeptisch. Denn die Mutation breitet sich aus und ich kann an einer Hand abzählen wie lange es dauert bis wir wieder eine steile Kurve nach oben sehen. Am liebsten würde ich einfach zu lassen. Aber langsam wird das Eis immer dünner und es muss einfach wieder Kohle her. Und da kommt die langersehnte Info: "Ab 08.03. dürft ihr wieder öffen!" Jubel! Jubel! Ich packe direkt den Terminkalender voll und freu mich (wenn auch mit etwas Bauchgrummeln) darauf, endlich wieder loslegen zu können. Und jetzt kommts! 5 Tage und die Inzidenz in Nürnberg schießt hoch... zack! ZU! Mal wieder! Wie lange? Wir werden sehen... Ich halte den Kopf über Wasser solange es geht. Ich bin mir sicher, es wird auch wieder anders. Und ich bin mir sicher, irgendwie schaffe ich es. .... to be continued

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